
Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 31.03.2021 – 4 Ca 1814/20: Das Arbeitsgericht Duisburg hat im Rahmen eines durch unsere Kanzlei betreuten Klageverfahrens festgestellt, dass die innerbetriebliche Bekanntgabe einer medizinischen Diagnose einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Arbeitnehmers darstellt und einen Anspruch auf Schmerzensgeld rechtfertigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. ACHTUNG: Up-Date! Siehe unten!
In dem entschiedenen Fall wurde die von der klagenden Arbeitnehmerin ihrem vorgesetzten Betriebsleiter mitgeteilte Diagnose „Bluthochdruck“ in den öffentlich am schwarzen Brett ausgehängten Schichtplan aufgenommen und so ca. 70 Mitarbeitern in dem betroffenen Betriebsteil zugänglich gemacht. Der Arbeitnehmerin wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € zugesprochen.
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Duisburg liegt eine Verletzung des durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Artikel 1 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor, welches (auch) im Privatrechtsverkehr und damit im Rahmen von Arbeitsverhältnissen zu beachten ist. Als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes komme den sog. sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind und zu denen auch die sog. Gesundheitsdaten zählen ein besonderer Schutz zu. Für den Fall der Klägerin, die sich auch auf einen datenschutzrechtlichen Entschädigungsanspruch nach Maßgabe des Artikels 82 Abs. 1 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bzw. § 7 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) berufen hatte, stellt das Arbeitsgericht klar, dass diese Regelungen nicht den auf § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gestützten Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung verdrängen. Bei der Diagnose „Bluthochdruck“ handele es sich um sensitive „Gesundheitsdaten“. Der Aushang dieser persönlich zuordenbaren Information in einem für einen größeren Personenkreis zugänglichen Schichtplan am schwarzen Brett stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Die Klägerin wäre nicht verpflichtet gewesen, dem Arbeitgeber die ihrer Arbeitsunfähigkeit zugrundeliegende Erkrankung offen zu legen. Wenn Sie dies dennoch in einem Gespräch mit dem zuständigen Betriebsleiter tat, so war diese Information absolut vertraulich zu behandeln und hätte nicht einer breiten Öffentlichkeit durch Aushang am schwarzen Brett zur Kenntnis gebracht werden dürfen. Das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln eines zuständigen Betriebsleiters müsse sich der Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 31 BGB zurechnen lassen. Für die Höhe der Geldentschädigung verweist das Arbeitsgericht Duisburg auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13.06.2019 (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.06.2019 – 5 Sa 438/18). Dort hatte das Gericht einen Betrag in Höhe von 1.500,00 € für ausreichend und angemessen erachtet, weil die dortige Arbeitgeberin eines Hauptarbeitsverhältnisses einer weiteren Arbeitgeberin, bei der die klagende Arbeitnehmerin eine Nebenbeschäftigung ausübte, über sich aus ihr vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergebende Informationen unterrichtete. Grober Orientierungswert zur Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes war in beiden Fällen ein Betrag in Höhe eines halben Bruttomonatsgehaltes.
Up-Date: Das Verfahren ist mittlerweile rechtskräftig abgeschlossen. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (5 Sa 470/21) bestätigte die zuständige Kammer im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 07.10.2021 die vom Arbeitsgericht vertretene Rechtsauffassung zur Haftung dem Grunde nach. Bezüglich der Höhe hielt es eine Anpassung des Schmerzensgeldes auf den doppelten Betrag in Höhe von insgesamt 3.000,00 € für angemessen. Es wurde ein entsprechender Vergleich geschlossen.
Marc Stenzel
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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