Bewerbungsverfahren: Geschlechtergerechte Zusammensetzung der Auswahlkommission

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Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 08.11.2024 – 10 GLa 6/24:

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat im Rahmen eines durch unsere Kanzlei betreuten einstweiligen Verfügungsverfahrens festgestellt, dass die nicht exakt geschlechtsparitätische Besetzung einer aus verschiedenen Gruppen bestehenden Auswahlkommission einen Verfahrensverstoß darstellt, der zur Fehlerhaftigkeit der getroffenen Auswahlentscheidung führt und somit eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des abgelehnten Bewerbers/der abgelehnten Bewerberin darstellt.

Betroffen war eine Hochschule, auf welche das Gesetz über die Kunsthochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Kunsthochschulgesetz – KunstHG) vom 13.03.2008 Anwendung findet. § 12 Abs. 1 KunstHG NW regelt die Zusammensetzung der Gremien nach verschiedenen Gruppen (Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, Akademische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Technik und Verwaltung, Gruppe der Studierenden). § 12 a KunstHG NW sieht vor, dass die Gremien der Kunsthochschule geschlechtsparitätisch besetzt werden müssen, es sei denn, im Einzelfall liegt eine sachlich begründete Ausnahme vor. Soweit Gremien nach Gruppen getrennt besetzt werden, ist dem Gebot der geschlechtsparitätischen Besetzung dann entsprochen, wenn der Frauenanteil in der Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer mindestens dem Frauenanteil entspricht, der in der Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer ausgewiesen ist, aus deren Kreis die Gremienbesetzung erfolgt, und hinsichtlich der weiteren Gruppen eine geschlechtsparitätische Besetzung vorliegt.

Die betroffene Hochschule hatte die Auswahlkommission eines Stellenbesetzungsverfahrens mit fünf Mitgliedern (dem Vorsitzenden sowie einem weiteren Professor und einer Professorin, einer Vertreterin der akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie einer Vertreterin der Studierenden) besetzt. Neben diesen fünf stimmberechtigten Mitgliedern gehörten der Kommission eine Vertreterin des künstlerisch/wissenschaftlichen Personalrats sowie die Gleichstellungsbeauftragte mit beratender Stimme an.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts genügte diese Besetzung nicht den gesetzlichen Vorgaben der §§ 12, 12 a KunstHG NW, weil die weiteren Gruppen jeweils nur mit einer Vertreterin und damit auch nur einem Geschlecht vertreten waren. Dem von der Hochschule im Konkurrentenverfahren vorgebrachten Argument, dass bei einer 5-köpfigen Kommission eine gleiche Vertretung von Männern und Frauen schlichtweg nicht möglich sei, hielt das Landesarbeitsgericht entgegen, dass die Besetzung einer Auswahlkommission mit einer ungraden Zahl an Köpfen nicht mit dem Gesetz in Einklang zu bringen sei. Es sei nicht erkennbar, weshalb eine paritätische Besetzung der weiteren Gruppen i. S. d. § 12 a Abs. 1 Satz 3 KunstHG NW nicht schlichtweg durch die Besetzung von einem weiblichen und einem männlichen Kommissionsmitglied hätte erfolgen können. Ebenso wenig sei erkennbar, weshalb zur Sicherstellung der ggfls. erforderlichen Stimmenmehrheit der Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer nicht durch eine den Vorgaben des § 12 a Abs. 1 Satz 3 KunstHG NW entsprechende Aufstockung der Kommission möglich gewesen wäre. Es erschließe sich nicht, aus welcher regulativen Vorgabe heraus die Notwendigkeit der Besetzung einer Auswahlkommission mit einer ungraden Stimmenzahl folgen solle.

Im Ergebnis resultierte aus dem Verstoß gegen § 12 a Abs. 1 Satz 3 KunstHG NW damit die Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens insgesamt. Die abgelehnte Bewerberin konnte aufgrund einer Verletzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs eine erneute Auswahlentscheidung bzw. die Wiederholung des Auswahlverfahrens erwirken.

Für die Praxis dürfte aus der Entscheidung ableitbar sein, dass formell rechtmäßige Bewerbungsverfahren im Bereich des öffentlichen Dienstes, sofern die einschlägigen Vorschriften die geschlechtsparitätische Besetzung von Gremien vorsehen, nur mittels Auswahlkommissionen durchgeführt werden dürfen, die aus einer geraden Anzahl von Mitgliedern gebildet werden. Bei einer Zusammensetzung aus verschiedenen Gruppen, muss der identische Anteil an Frauen und Männern bezüglich jeder einzelnen vertretenen Gruppe abgebildet werden. Bemerkenswert war im vorliegenden Fall, dass die Kammer des Landesarbeitsgerichts der noch vom erstinstanzlichen Gericht vertretenen Auffassung eine Absage erteilt hat, wonach der klagenden Bewerberin im Sinne der „Frauenförderung“ kein Nachteil erwachsen sei, weil der Auswahlkommission, die über ihre Bewerbung zu entscheiden hatte, mehr Frauen als Männer angehörten.

 

Marc Stenzel
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Speker Nierhaus Stenzel - Rechtsanwälte - Notar - Fachanwalt für Arbeitsrecht

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