Anerkennung einschlägiger Berufserfahrung in der Schulsozialarbeit

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Für tarifbeschäftigte Angestellte im öffentlichen Dienst richtet sich die Vergütungshöhe nicht nur nach der tätigkeitsbezogenen Entgeltgruppe, sondern auch nach der maßgeblichen Entgeltstufe, die im Rahmen der Einstellung unter Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung festzulegen ist.

Stufenzuordnung bei der Einstellung: Einschlägige Berufserfahrung?

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder sieht in § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L die Anrechnung einschlägiger Berufserfahrung vor. Die Anrechnung führt zu einer höheren Einstufung und somit unmittelbar zu einer höheren Vergütung.  Einschlägige Berufserfahrung ist eine "berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit". Dies ist nach der Rechtsprechung der Fall, wenn zuvor eine gleichartige und gleichwertige Tätigkeit ausgeübt wurde. Für die Gleichwertigkeit ist ein Vergleich der tariflichen Eingruppierung erforderlich. Bezüglich des Inhalts der Tätigkeit muss diese nicht zwingend im Wesentlichen unverändert fortgesetzt werden; es reicht Gleichartigkeit aus (BAG, Urteil vom 18.02.2021 – 6 AZR 205/20).

Gleichartige und gleichwertige pädagogische Tätigkeit im Schuldienst

Für den Schuldienst des Landes werden neben Lehrkräften (zunehmend) auch Beschäftigte aus erzieherisch-pädagogischen Berufsbildern akquiriert. Im Land Nordrhein-Westfalen beispielsweise als Fachkräfte für Schulsozialarbeit auf Grundlage des Runderlasses des Ministeriums für Schule und Bildung vom 23.01.2008 (BASS 21-13 Nr. 6), als Fachkräfte in den multiprofessionellen Teams im gemeinsamen Lernen an weiterführenden Schulen auf Grundlage des Runderlasses des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes NRW vom 19.07.2018 (Aktenzeichen 511-6.03.17.04-145249) bzw. vom 05.05.2021 (BASS 21-13 Nr. 11) oder als sozialpädagogische Fachkräfte in der Schuleingangsphase nach dem Erlass des Ministeriums für Schule und Bildung vom 08.06.2018 (BASS 21-13 Nr. 10). Viele der eingestellten pädagogisch-erzieherischen Fachkräfte verfügen über mehrjährige Berufserfahrungen aus unterschiedlichen pädagogischen Bereichen, weshalb es häufig überrascht, dass ihre tarifliche Einstufung bei Übernahme in den Schuldienst nach der Stufe 1 erfolgt, was der Einstellung eines Berufsanfängers entspricht. Das Land lehnt die Anerkennung der Berufserfahrung meist ab, weil bzw. wenn diese in nicht schulischen Tätigkeitsbereichen, beispielsweise in Betreuungseinrichtungen oder Einrichtungen des Gesundheitswesens erworben wurden. Die Vergütung als Berufsanfänger stellt in der Regel nicht zufrieden, weil sich das Land durch die Einstellung der pädagogischen Fachkräfte die über Jahre erworbenen Berufserfahrungen aus anderen "sozialen Milieus“ bzw. "sozialen Settings“ für den Schuldienst durchaus auch hinsichtlich ihrer „Wertigkeit“ zunutze macht.

Gleichartigkeit auch bei außerschulischer Berufserfahrung?

Hier hilft nach unserer Auffassung eine Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.10.2015 – 5 Sa 660/15 -), nach welcher der Einsatz in einem bestimmten „pädagogischen Setting“ bzw. einem „sozialen Milieu“ für die Anrechenbarkeit der Berufserfahrung bei pädagogisch-erzieherischen Berufsbildern nicht das allein entscheidende Kriterium ist. Das LAG hat im Rahmen seiner Entscheidungsbegründung herausgearbeitet, dass die dortige Klägerin sowohl im Schuldienst des beklagten Landes als auch in ihrem Arbeitsverhältnis zum Sozialdienst katholischer Frauen e. V. und beim Verein zur Entwicklung neuer Lebensqualitäten für Mädchen e. V. erzieherische Aufgaben und damit gleichgelagerte Tätigkeiten ausgeübt hat. Allein der Umstand, dass die Ziele der erzieherischen Arbeit einerseits in einer Einrichtung zur Betreuung von traumatisierten Opfern schwerer Straftaten und andererseits in einer Grundschule zum Zwecke der Betreuung von 6 – 12-jährigen Schülerinnen und Schülern erfolge, führe nicht dazu, dass die in der vorausgegangenen Tätigkeit erworbenen Berufserfahrungen nicht im wesentlichen für die spätere Tätigkeit im Schuldienst verwertbar seien. Zwar mag sich aus dem jeweiligen Charakter der Einrichtungen und dem Alter sowie den Lebensumständen der Betroffenen jeweils eine unterschiedliche Gewichtung der Aspekte erzieherischer Arbeit ergeben, die gesamte Breite erzieherischer Tätigkeiten, also die Anwendung des in der erzieherisch-pädagogischen Ausbildung erlernten „Handwerkszeugs erzieherischer Arbeit“ auf Betroffene unterschiedlicher Lebenslagen und unterschiedlicher Lebensbedingungen ist indes in allen betroffenen Tätigkeiten gleichsam angesprochen.

Kriterium: Ohne relevante Einarbeitung

In einem von unserer Kanzlei betreuten Verfahren einer Diplom-Pädagogin, welche als Fachkraft in den multiprofessionellen Teams im gemeinsamen Lernen an weiterführenden Schulen im Schuldienst des Landes NRW eingestellt worden war, ging es um die Anerkennung einschlägiger Berufserfahrung als Erzieherin in einer Ev. Stiftung in verschiedenen Wohn- und Betreuungseinrichtungen. Die vorausgegangenen Tätigkeiten der Klägerin hatten keinen unterrichtlichen Bezug, weshalb die Vergütung zunächst nach der Stufe 1 der einschlägigen Entgeltordnung erfolgte. Der geltend gemachte Höherstufungsanspruch war erstinstanzlich abgewiesen worden (Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 13.04.2022 – 4 Ca 117/22 -). Das LAG Düsseldorf gab in der mündlichen Berufungsverhandlung deutlich zu erkennen, dass es die vom Arbeitsgericht vertretene Auffassung nicht teile.

Dabei schien die zuständige Kammer maßgeblich auf den Umstand abzustellen, dass für die Aufnahme der Tätigkeit der Klägerin im Schuldienst keine relevante Einarbeitung stattgefunden hatte, weil diese nicht erforderlich war. Die Auffassung des LAG Düsseldorf deckt sich nach unserer Auffassung mit den Ausführungen des LAG Berlin-Brandenburg in der angeführten Entscheidung, weil das erlernte „Handwerkszeug“ die erzieherisch-pädagogisch Beschäftigten zur Betreuung verschiedenster Klientel in unterschiedlichen „pädagogischen Settings“ und/oder „sozialen Milieus“ befähigt. Wenn die Arbeitgeberseite sich im Schuldienst die dort erworbenen Berufserfahrungen zu Nutzen machen möchte, ist nach hiesigem Verständnis auch eine entsprechende Eingruppierung/Vergütung gerechtfertigt und vorzunehmen.

 

Marc Stenzel
Fachanwalt für Arbeitsrecht


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